Samstag, 7. Oktober 2006
Stimmungswechsel
Gestern lag mein Stimmungsbaromter am Boden. Das lag am miesen Wetter, denn in Chengdu hatte man schon eine Woche keine Sonne mehr gesehen, jeden Tag Nebel, Niesel oder auch stärkeren Regen. Schon morgens, wenn ich aus dem Fenster schaute, hatte ich keine Lust zum aufstehen.

Heute, Samstag, war das dann gleich anders. Als ich aus meinen tiefsten Träumen erwachte, blitzten schon Sonnenstrahlen in mein Schlafzimmer. Ich riss die Vorhänge auf und wurde von klarer Luft, blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein begrüsst. Da stieg das Barometer doch gleich um 100%. Ich sah auf meinen Balkon, und entschied, dort den Vormittag zu verbringen. Dafür musste ich diesen aber erstmal vom Staub der letzen Wochen befreien. Also habe ich mutig einen Besen gegriffen und dicke Staubschichten, Blätter, eine tote Grille und anderes Getier entfernt. Auch einen kleinen Tisch von einer dicken Staubschicht befreit und ordentlich aufgestellt. Danach habe ich mir eine Kanne Tee gekocht und mit einer Mandarine, die hier übrigens grün geerntet werden und trotzdem schon reif sind, auf den Balkon gesetzt und die Landschaft genossen. Vögel, die in den nahen Bäumen und Büschen nisten und sich schon morgends eifrig Geschichten erzählen oder sich nur mit ihrem Partner über die flügge gewordenen Kinder austauschen, flogen durch die Gegend, Schmetterling flatterten aufgeregt hin und her, Fliegen aller Grösse schwirrten hier und dorthin. Eine Biene summte herbei, sie hatte wohl mein rotes T-Shirt mit einer Blume verwechselt. In der Ferne war leises Hundegebell zu hören. Der Balkon geht überigens nach Südwesten, sodass dort erst gegen 11:30 h die Sonne hinkommt. Dazu lief im Wohnzimmer Musik von Ian Anderson von Jethro Tull. Die Gruppe hab ich vor 31 Jahren durch eine Freundin kennengelernt. Die Musik höre ich immer wieder gerne, die Freundin war damals leider nur 1 Jahr mit mir zusammen. Da sass ich nun und dachte: das Leben ist doch wirklich schön. Ich beglückwünschte mich aufs Neue für die Wahl dieser sonnigen Wohnung mit weitem Blick in die Natur am Rande der Grossstadt. Nach und nach füllte sich der Tisch dann mit Baguettebrot, Honig, Tomaten, Zwiebeln und ich genoss ein vortreffliches Frühstück in wirklich guter Stimmung. Nach und nach wanderte die Sonne und lugte um die Ecke, bis sie dann auch meinen Sitzplatz beschien und mich ordentlich wärmte. Das Frühstück war dann irgendwann gegessen und es war an der Zeit, das Qualifying in Suzuka anzusehen. Auch dort lief es recht positiv und zerstörte meine gute Stimmung nicht im geringsten. Formel 1 ist eines der Ereignisse, für das ich so manches liegen lasse. Am späten Nachmittag, als es nicht mehr so heiss war auf dem Balkon, hab ich mir wieder einen Tee gekocht und mich mit einem Buch, ja wirklich ein Buch, auf den Balkon gesetzt, im Hintergrund leise Musik von den Commitmens und Santana rieseln lassen, leise genug um wieder den Vögeln in den nahen Bäumen und Büschen bei ihrer Unterhaltung lauschen zu können. Kurz vor Sonnenuntergang hab ich dann noch ein vortreffliches Baguette Abendbrot genossen, und sass noch lange da, als die Sonne schon längst verschwunden war. Ein Milan schwebte vorüber, ignorierte allerdings vollkommen mein "Hallo" und Gezwitscher sondern verschwand ebenso lautlos in den Büschen. In der Ferne gingen dann langsam die Lichter in und auf (Warnlichter für die Flugzeuge) den Häusern an. Selbst die Züge auf der nahen, von den Bäumen und Büschen verdeckten Bahnstrecke schienen heute leiser zu fahren. Das war ein wirklich schöner Tag, den ich so richtig genossen habe und der mich für die letzten und kommenden Regentage entschädigt hat. Nun muss nur noch Schumi morgen gewinnen! Aber wie auch immer, das kann dann meine Stimmung auch nicht so beeinträchtigen. Und wenn ich dann noch ein bischen warte, dann kann ich heute vielleicht auch noch den Vollmond sehen, der ja gestern zum Mondfest am rundesten war aber wegen der Wolken nicht zu betrachten war.

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